29. November 2021 / Aus aller Welt

Keine Millionen-Entschädigung für Helmut Kohls Witwe

Memoirenschreiber Heribert Schwan brachte Details aus Gesprächen mit Helmut Kohl als Buch heraus. Der Altkanzler sollte als Entschädigung eine Million Euro bekommen. Dieser Anspruch ist nicht vererbbar.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Maike Kohl-Richter keine Millionen-Entschädigung bekommt.
von Anja Semmelroch, dpa

Kurz vor seinem Tod 2017 bekam Altkanzler Helmut Kohl eine Entschädigung von einer Million Euro zugesprochen - für seine Witwe dürfte das Geld aber endgültig verloren sein.

Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entschied am Montag, dass so ein Anspruch grundsätzlich nicht vererbt werden kann und mit dem Tod endet. Damit ist ein gleichlautendes Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Köln von 2018 rechtskräftig. Als letzte Möglichkeit bleibt Maike Kohl-Richter nun nur noch, es mit einer Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht zu versuchen.

Zahlen sollten Autor und Verlag des Bestsellers «Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle», das Kohls Ghostwriter Heribert Schwan (76) nach bösem Streit ohne dessen Einverständnis verfasst hatte. Kohl und später Kohl-Richter wollten sogar mindestens fünf Millionen Euro.

Der Journalist und Historiker Schwan hatte für Kohl dessen Memoiren geschrieben und war dafür 2001 und 2002 an mehr als 100 Tagen bei ihm daheim in Ludwigshafen-Oggersheim zu Gast. Kohl erzählte aus seinem Leben und nahm dabei kein Blatt vor den Mund, Schwan ließ das Tonband mitlaufen. Aber vor dem vierten und letzten Band kam es zum Bruch.

Für die «Kohl-Protokolle» bediente sich Schwan aus dem Material. Das Buch wurde auch deshalb so ein Erfolg, weil es sehr deftige Aussagen Kohls über zahlreiche bekannte Persönlichkeiten enthielt - die der langjährige CDU-Kanzler nicht zur Veröffentlichung freigegeben hatte.

Wegen verletzter Persönlichkeitsrechte hatte das Kölner Landgericht dem 87-Jährigen 2017 eine Million Euro zugesprochen - die höchste Entschädigung der deutschen Rechtsgeschichte. Als Kohl wenige Wochen später starb, war dieses Urteil allerdings noch nicht rechtskräftig. Seither kämpft seine Witwe als Alleinerbin um das Geld - vergeblich.

Der Vorsitzende BGH-Richter Stephan Seiters sagte, eine Geldentschädigung diene in erster Linie der Genugtuung. «Einem Verstorbenen kann Genugtuung aber nicht mehr verschafft werden.» Sein Senat sah auch keinen Grund, eine Ausnahme zu machen: Dass Kohl eine historische Persönlichkeit gewesen sei und zum Zeitpunkt des Landgerichtsurteils schon alt und gebrechlich, ändere nichts.

Schwan war zur Urteilsverkündung extra nach Karlsruhe gekommen und sagte danach Journalisten: «Sie können sich vielleicht vorstellen, wie erleichtert ich bin, dass der Bundesgerichtshof die in der Höhe existenzbedrohende und in der Sache rufschädigende Klage mit klaren Worten abgewiesen hat.» Er wünsche der Witwe, dass sie «nun endlich Ruhe und inneren Frieden findet» und allen weitere Instanzen erspare.

Kohl-Richters BGH-Anwalt Matthias Siegmann sagte: «Wir sind natürlich enttäuscht, dass die Entschädigungsklage vollständig abgewiesen worden ist.» Dass das Persönlichkeitsrecht nach dem Tod schwächer geschützt sei, bezeichnete er als «Gerechtigkeitslücke», die allerdings auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts begründet sei. «Wir werden unserer Mandatin raten, dem Bundesverfassungsgericht die Gelegenheit zu geben, über diese Rechtsprechung seinerseits nochmals nachzudenken.»

Die obersten Zivilrichterinnen und -richter des BGH entschieden auch über die Revisionen in einem zweiten Verfahren, das 116 umstrittene Textpassagen betrifft. Schwan ist deren Verbreitung bereits rechtskräftig verboten, weil er mit Kohl zumindest indirekt Verschwiegenheit vereinbart hatte. Beim Verlag ist das anders.

Laut BGH sind 29 der Passagen definitiv tabu, weil Kohl entweder falsch zitiert oder mehrdeutige Aussagen in eine bestimmte Richtung missinterpretiert wurden. Dadurch werde sein Lebensbild grob entstellt, sagte Seiters. Diese Zitate darf der Verlag nicht einmal sinngemäß wiedergeben. Sätze, die tatsächlich so gefallen sind, darf er nach dem BGH-Urteil dagegen veröffentlichen - selbst wenn Kohl sich das ursprünglich verbeten hatte. Seiters sagte, ein Verstorbener sei hiervor nicht geschützt. Das hatte das OLG Köln anders gesehen.

Bei einer dritten Gruppe Zitate ist unklar, ob sie so stimmen oder nicht. Sie müssen nun am OLG noch einmal überprüft werden.

Derzeit ist das Buch, das 2014 im Heyne Verlag erschienen war, nur noch als E-Book auf dem Markt - mit etlichen Auslassungen. Die Verlagsgruppe Penguin Random House, zu der Heyne gehört, teilte mit: «Der Heyne Verlag wird nach Vorliegen der Urteilsgründe sorgfältig prüfen, ob er das Buch der Öffentlichkeit in einer annähernd ursprünglichen Fassung wieder zugänglich machen wird.»

Beide Urteile ergingen formal als sogenannte Teilurteile. Denn der ebenfalls verklagte Co-Autor Tilman Jens ist inzwischen gestorben, der Rechtsstreit mit seinen Erben derzeit unterbrochen.

Maike Kohl-Richter hat wegen der «Kohl-Protokolle» noch andere Gerichtsverfahren angestrengt. Ende 2019 hatte das Kölner Landgericht Schwan weitere Aussagen aus dem Buch verboten. Nach einem BGH-Urteil von 2020 muss er zudem Auskunft darüber geben, was er aus den Gesprächen noch auf Band oder abgetippt bei sich hat. Die Herausgabe der Original-Tonbänder hatte Kohl noch zu Lebzeiten durchgesetzt.


Bildnachweis: © Rolf Vennenbernd/dpa
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