30. November 2022 / Aus aller Welt

Schuldig und doch frei? Bluttat wird erneut verhandelt

Vor mehr als 27 Jahren ersticht ein Mann eine Frau auf der Straße. Daran gibt es keine Zweifel. Er wird wegen Mordes verurteilt - und sitzt nun wegen derselben Tat erneut auf der Anklagebank.

Der Angeklagte versteckt sein Gesicht hinter einer Zeitung.
von dpa

Als er zusticht und in der Nacht die Frau in Sindelfingen tötet, ist das Wort des Jahres «Multimedia» und Helmut Kohl hat noch ein paar Jahre als Bundeskanzler vor sich: Mehr als 27 Jahre nach den fast zwei Dutzend Messerstichen an einem S-Bahnhof in Sindelfingen (Kreis Böblingen) muss sich ein mittlerweile 72 Jahre alter Mann ein weiteres Mal wegen desselben Falls in Stuttgart vor Gericht verantworten.

Der Rentner war im Juli 2021 bereits vom Landgericht Stuttgart zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Er konnte mit seiner Revision aber den Bundesgerichtshof (BGH) überzeugen, der das Urteil aufhob und den Fall an eine andere Kammer des Landesgerichts zurückverwies. In dem reinen Indizienprozess sei das Mordmerkmal der Heimtücke nicht ausreichend belegt worden, hieß es aus Karlsruhe.

Der Angeklagte schweigt weiter

Nun wird der Fall neu aufgerollt. Im ersten Prozess hatte der Angeklagte konsequent geschwiegen - und wird es auch im neuen Prozess weiter tun, wie er am Mittwoch wissen ließ. Obwohl es an seiner Schuld aus Sicht des BGH keine Zweifel gibt, könnte der Mann den Saal als freier Mann verlassen.

Unklar bleibt, was passierte, bevor das damals 35 Jahre alte Opfer starb. Aus Sicht des BGH lässt sich nicht aufklären, was vor den tödlichen Stichen passiert ist. Hat es ein Gespräch gegeben oder einen Streit, hätte die Frau fliehen oder um Hilfe rufen können? Denn dann wäre es nicht unbedingt ein Mord gewesen, der nach deutschem Recht nicht verjährt, sondern vielleicht ein Totschlag. Für einen solchen kann man nach mehr als 20 Jahren nicht mehr bestraft werden. Warum der in Norddeutschland geborene Mann die Frau umbrachte, ist nicht klar.

Erst 2018 überführt

Im ersten Prozess hatte es Dutzende Zeugen gegeben, viele Aussagen von Menschen, die mittlerweile im Ausland leben, die Aktenlage war katastrophal, es fehlten Beweisstücke, und angefragte Zeugen waren teilweise schon gestorben oder hatten mit Erinnerungslücken zu kämpfen. Vor Ende März 2023 ist nicht mit einem Urteil zu rechnen.

«Wenn er einfach so rausgeht, dann bricht der Boden unter meinen Füßen weg», sagte Nicola Moser, die 65 Jahre alte Schwester des Opfers, am Mittwoch am Rande der Neuauflage des Mordprozesses.

Der Mann war erst 2018 überführt worden, nachdem ihm DNA-Spuren unter den Fingernägeln des Opfers zugeordnet werden konnten. Eine Sonderkommission hatte den in Norddeutschland geborenen Mann früh im Visier - doch die Ermittlungen blieben zunächst erfolglos.

2007 hatte ihn das Landgericht Würzburg wegen Totschlags an einer Anhalterin aus Obersontheim (Kreis Schwäbisch Hall) verurteilt - auch damals im zweiten Anlauf nach einem Freispruch im ersten Prozess.


Bildnachweis: © Bernd Weißbrod/dpa
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