4. Oktober 2024 / Aus aller Welt

Vergewaltigung eines Touristen in U-Bahnhof: Vier Jahre Haft

Für die Vergewaltigung eines volltrunkenen Touristen in einer Münchner U-Bahnstation hat der Angeklagte nun eine Gefängnisstrafe kassiert. Der Richter bescheinigte ihm eine Tat «quasi im Vorbeigehen».

Wartet auf sein Urteil: Ein junger Mann soll einen Volltrunkenen in einem Münchner U-Bahnhof vergewaltigt haben.
von Elke Richter, dpa

Mit geschlossenen Augen hört der junge Angeklagte zu, wie er wegen Vergewaltigung eines sturzbetrunkenen Touristen in einem Münchner U-Bahnhof zu vier Jahren Jugendstrafe verurteilt wird. Ausführlich schildert der Richter den Missbrauch des damals 18-jährigen Polen, wägt Details ab, die auf den Bildern der Überwachungskamera nicht zu erkennen sind, thematisiert den massiven Rausch des Opfers zum Tatzeitpunkt im August vergangenen Jahres. Um dann zu dem Schluss zu kommen: «Es wurden hier sexuelle Handlungen am Geschädigten gegen den erkennbaren Willen des Geschädigten vorgenommen.»

Der Angeklagte habe sein offensichtlich in seinen Abwehrmöglichkeiten höchst eingeschränktes Opfer ohne jeglichen vorherigen Kontakt «quasi im Vorbeigehen» über die Dauer von gut einer halben Stunde begrapscht, ausgezogen und vergewaltigt - im Bewusstsein, dass zu jener nächtlichen Stunde keine U-Bahnen mehr fuhren und deshalb die Gefahr sehr gering war, dass jemand die Tat mitbekommen würde. 

Videoaufnahme als zentrales Beweismittel

Weil der Angeklagte im Prozess zu den Vorwürfen schwieg, zog die Kammer neben einem DNA-Gutachten als zentrales Beweismittel die Videoaufzeichnungen vom Tatort heran - und die trotz der lückenhaften Erinnerung «durchgängig glaubhaften und mit den Aufnahmen übereinstimmenden» Angaben des Opfers. Der 18-Jährige habe keinen Sex mit dem Angeklagten gewünscht, zeigte sich der Richter sicher. «Ein Geschädigter, der die ganze Zeit versucht hat, in Ruhe gelassen zu werden und seinen Rausch ausschlafen zu dürfen - das ist das Bild, das primär dominiert hat.» Zu körperlicher Abwehr sei er aber in seinem regelrecht «hypnotischen Zustand» nicht mehr in der Lage gewesen.

Zusätzlich zu der Vergewaltigung hatte der Angeklagte dem Touristen auch noch das Handy gestohlen, bevor er floh - auch dieser Tatbestand floss in das Urteil ein. Das Opfer fuhr nach der Tat nach Hause und erstattete Anzeige. Der Mann konnte auch sein Handy orten, was die Ermittler zu dem Tatverdächtigen führte.

Alter des Angeklagten unklar

Unklar blieb vor Gericht das genaue Alter des Angeklagten. Während die Staatsanwaltschaft von 21 Jahren ausging und der Betroffene selbst zu Prozessbeginn angab, im Jahre 2005 geboren worden zu sein, ging die Große Jugendkammer nun davon aus, dass der junge Mann derzeit 20 Jahre alt ist - und die Tat somit als 19-Jähriger begangen hatte. Der Richter kam zu dem Schluss: Weil der «mit all seinen Habseligkeiten in einer Papiertüte durch die Innenstadt wandernde» Flüchtling zwar voll schuldfähig sei, aber in seiner Entwicklung bestimmte Reifeschritte unstreitig noch nicht durchlaufen habe, müsse er nach Jugendstrafrecht verurteilt werden. 

Bei der Höhe des Strafmaßes folgte das Gericht der Anklage. Die Staatsanwaltschaft hatte für den Angeklagten eine Haftstrafe von sieben Jahren bei einer Verurteilung nach Erwachsenenstrafrecht und von vier Jahren im Falle einer Jugendstrafe gefordert. Die Verteidigung plädierte nur auf Strafbarkeit wegen des Diebstahls eines Mobiltelefons, lehnte aber eine Verurteilung wegen Vergewaltigung ab.

Diplomatische Verwicklungen

Der Fall hatte seinerzeit in Polen hohe Wellen geschlagen. Die damalige nationalkonservative PiS-Regierung in Warschau versuchte, im Wahlkampf vor der Parlamentswahl im Herbst 2023 politisches Kapital daraus zu schlagen. «Ein junger Pole ist in München Opfer einer Vergewaltigung durch einen Migranten aus Afghanistan geworden. Das sind die Folgen der Politik der offenen Grenzen», schrieb Ministerpräsident Mateusz Morawiecki auf der Plattform X, um die ablehnende Haltung seiner Regierung zur EU-Migrationspolitik zu unterstreichen. Die PiS-Regierung, die gerne auf antideutsche Töne setzte, bestellte sogar den Gesandten der deutschen Botschaft ein.

Die PiS verlor allerdings die Wahl. Seit Dezember 2023 wird Polen nun von einem Mitte-Links-Bündnis unter Donald Tusk regiert. Der Fall des jungen Polen in München ist mittlerweile in der Politik weitgehend in Vergessenheit geraten. Polnische Medien berichteten allerdings vor Kurzem über den Prozessauftakt.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Verteidigung wie Anklage können binnen einer Woche Revision beim Bundesgerichtshof einlegen. Derweil dauert die Untersuchungshaft des Verurteilten an.

 

 


Bildnachweis: © Elke Richter/dpa
Copyright 2024, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten

Meistgelesene Artikel

Das ist der Mann, der als Erstkontakt für guten Service bekannt ist
Lokalpioniere

Verlässliche Kommunikation, klarer Kurs - Lokalpioniere setzen weiter auf Leon Quednau

weiterlesen...
Woran du erkennst, dass dein Baum durstig ist - und wie ein Bewässerungssack helfen kann
Wusstest du das?

Das ist deine Anlaufstelle im Kreis Gütersloh für Bewässerungssäcke und vieles mehr rund um den Garten

weiterlesen...
Musik und Comedy der Extraklasse beim Rietberg Open Air
Gartenschaupark Rietberg

Atze Schröder, Kasalla, Robbie-Williams-Tribute und Sophia kommen Rietberg. Das Rietberg Open Air 2025 wirft seine...

weiterlesen...

Neueste Artikel

Erdbeben lösen Tsunami-Warnung auf Kamtschatka aus
Aus aller Welt

Russlands fernöstliche Halbinsel Kamtschatka ist berühmt für ihr hohe geologische Aktivität. Nun kam es nach mehreren Erdbeben dort auch zu einer Tsunami-Warnung.

weiterlesen...
Rheinkirmes: Feuerwerk nach Unglück auf der Kippe
Aus aller Welt

Die Düsseldorfer Rheinkirmes gehört zu den größten Volksfesten in Deutschland. Ein Höhepunkt ist dort das große Feuerwerk. Dabei läuft diesmal etwas schief.

weiterlesen...

Weitere Artikel derselben Kategorie

Erdbeben lösen Tsunami-Warnung auf Kamtschatka aus
Aus aller Welt

Russlands fernöstliche Halbinsel Kamtschatka ist berühmt für ihr hohe geologische Aktivität. Nun kam es nach mehreren Erdbeben dort auch zu einer Tsunami-Warnung.

weiterlesen...
Rheinkirmes: Feuerwerk nach Unglück auf der Kippe
Aus aller Welt

Die Düsseldorfer Rheinkirmes gehört zu den größten Volksfesten in Deutschland. Ein Höhepunkt ist dort das große Feuerwerk. Dabei läuft diesmal etwas schief.

weiterlesen...
ANZEIGE – Premiumpartner