Das Ahr-Hochwasser hat mit 134 Todesopfern viel Leid gebracht - mit seinen Änderungen des Flussverlaufs aber auch ökologische Chancen geboten. Diese sind nach Ansicht von Kritikern nicht genutzt worden. Der Hochwasserschutz sei teils sogar verschlechtert worden. Die Ahr sei an mancher Stelle heute schmaler als vor der Flut, sagt Cosima Lindemann, Vorsitzende des Naturschutzbundes (Nabu) Rheinland-Pfalz. In Ortschaften sei eine rasche Wiederherstellung des vorherigen Flussbettes verständlich. Außerorts aber seien Chancen vertan worden, Naturschutz und Hochwasservorsorge zu verbinden. Das extreme Ahr-Hochwasser am 14. und 15. Juli habe das Flussbett teils verlegt und neue Nebenarme entstehen lassen, sagt Lindemann. Diese hätten «einen hohen ökologischen Wert» und könnten bei Hochwassern entlastend wirken. Leider sei von diesen neuen Strukturen fünfeinhalb Monate nach der Katastrophe nichts mehr zu finden: «Nebenarme sind wieder zugeschüttet worden und das Flussbett wurde in großen Teilen begradigt.» Der Hildesheimer Biologieprofessor Wolfgang Büchs spricht von einer stellenweise «zweiten Zerstörung» des Flusstals. Erst habe sich die Ahr beim Hochwasser den Raum geholt, «den sie eigentlich braucht», und neue Auenlandschaften geschaffen. Dann hätten Bagger und Bulldozer bei den Aufräumarbeiten in oft unkoordinierter «Wildwestmanier» drastisch eingegriffen. Ökologisch wertvolle Bereiche und Rückhalteflächen für Hochwasser seien verlorengegangen, das Bundesnaturschutzgesetz werde missachtet. Der für Gewässer zuständige Abteilungsleiter bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord in Koblenz, Joachim Gerke, sagt, vor allem anfangs sei das Baggern im Fluss unabdingbar gewesen, etwa um Treibgut und Zerstörungen zu beseitigen. Im Chaos der ersten Aufräumphase «können Sie nicht die reine Lehre fahren», meint der Abteilungsleiter. «Da sind auch ungünstige Dinge passiert.» Es gehe um einen Ausgleich verschiedener Interessen - Natur- und Hochwasserschutz, Lebens- und Arbeitsraum der Anwohner. Es bleibt laut Gerke das Hauptziel, der Ahr mehr Raum zu geben. «Das habe ich auch auf Bürgerversammlungen vorgetragen.» Manche Bürgermeister hätten gleich Vorschläge unterbreitet, «zum Beispiel eine Wiese im Dorf abzusenken». Nötig ist nach Einschätzung des Fachmanns allerdings ein koordiniertes überörtliches Handeln. «Man kann die Ahr nicht einfach mal breit und mal schmal machen.» Möglichst rasch im Laufe des neuen Jahres solle ein Gewässerentwicklungskonzept für den Fluss vorliegen. Die öffentliche Hand kaufe auch Uferflächen mit Steuergeld auf. Vor allem das mittlere Ahrtal ist sehr eng und steil. Das erschwert den Hochwasserschutz. Die Nabu-Landesvorsitzende Lindemann fordert gerade deshalb, jede Möglichkeit zu nutzen, dem Fluss mehr Raum zu geben. «Das hilft dem Naturschutz, aber letztlich auch den Menschen, die an der Ahr leben.» Hochwasser im Juli
Mehr Raum für den Fluss
Bildnachweis: © Thomas Frey/dpa
Copyright 2021, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten
Wie viel Freiheit für den Fluss? - Debatte über Ahr-Verlauf
Im Zuge des tödlichen Hochwassers hat die Ahr auch ihren Verlauf geändert. Neue Nebenarme, neue Auenlandschaften entstanden - nicht alle freuen sich darüber.
Meistgelesene Artikel
Eine Aktion des Fördervereins der Kindergärten St. Jakobus und St. Magdalena
- 12. April 2024
Starte Deine Karriere bei der Sternpark-Gruppe!
Dein Mercedes-Benz und smart Servicepartner aus Rheda-Wiedenbrück
- 18. April 2024
Rathaus am Montagnachmittag geschlossen
Freie Sprechstunde im Bürgerbüro entfällt Rietberg. Am Montagnachmittag, 22. April, haben alle Abteilungen der...
Neueste Artikel
Verkehr Verkehrskontrollen in Rheda-Wiedenbrück und Rietberg Polizeikräfte der Wache Rheda-Wiedenbrück führten am...
Eine riesige Rauchwolke zieht im Westen von Berlin über den Himmel: Feuer auf einem Firmengelände im Ortsteil Lichterfelde. Die Feuerwehr warnt vor Rauchgasen. Eine Schule schließt.
Weitere Artikel derselben Kategorie
Eine riesige Rauchwolke zieht im Westen von Berlin über den Himmel: Feuer auf einem Firmengelände im Ortsteil Lichterfelde. Die Feuerwehr warnt vor Rauchgasen. Eine Schule schließt.
Wasser in Kellern, auf Straßen, Blitzeinschläge, Zugausfälle: Vor allem im Westen und der Mitte des Landes sorgen Gewitter und Starkregen für Probleme. In Unterfranken stirbt ein Mann.