28. September 2021 / Aus aller Welt

Tod nach Po-OP: Gutachter streiten über Schönheitseingriffe

Operative Po-Vergrößerungen haben Hochkonjunktur. Nach Todesfällen steht nun ein Düsseldorfer Arzt vor Gericht - und beteuert seine Unschuld. Der Prozess droht zu einer Gutachter-Schlacht zu werden.

Der angeklagte Arzt beteuert seine Unschuld.
von Frank Christiansen, dpa

Der Wunsch nach einem üppigen Hinterteil lässt bei Schönheitschirurgen in aller Welt die Kassen klingeln. Auch in Düsseldorf, eine Hochburg der plastischen Chirurgie, legten sich mit ihrem Körper unzufriedene Frauen reihenweise auf die OP-Tische.

Zwei von ihnen, 20 und 42 Jahre alt, starben 2018 und 2019 jeweils kurz nach dem Eingriff. Nun drohen ihrem Operateur zwischen drei und 15 Jahren Gefängnis. Doch der Mediziner ist sich keiner Schuld bewusst.

«Lege artis» - der lateinische Begriff fällt häufiger im großen Saal E.116 des Düsseldorfer Landgerichts. Der Begriff meint: Entsprechend den Regeln der ärztlichen Kunst. Während die Verteidiger um den angeklagten Arzt der Meinung sind, dessen Eingriffe hätten diesen Regeln voll entsprochen, weswegen der 50-Jährige freizusprechen sei, ist Oberstaatsanwalt Uwe Kessel ganz anderer Ansicht und spricht von «groben Verletzungen der Pflichten als Arzt».

Wegen Körperverletzung mit Todesfolge in zwei Fällen und fahrlässiger Körperverletzung in einem dritten Fall hat er den Arzt angeklagt. Außerdem ist noch ein Verfahren des Titelmissbrauchs angehängt worden: Der Mediziner soll seinen Doktortitel ohne den Landeszusatz «(ir)» für Iran verwendet haben, obwohl er ihn dort erwarb.

In seiner Praxis bot der Arzt seit Jahren Po-Vergrößerungen mittels Eigenfett-Implantation («Brazilian Butt Lift») an. Eine populäre Methode, die von vielen plastischen Chirurgen wegen ihres Risikos kritisch gesehen wird. Die Sterberate wird auf 1:3000 beziffert.

Gefahr droht vor allem durch das wieder eingespritzte körpereigene Fett: Gelangen die winzigen Fettbrocken in die Blutbahn, droht eine tödliche Embolie.

Die Anklage stützt sich auf ein Gutachten, das dem Operateur eine Reihe von Fehlern vorwirft. So sei nicht ausreichend über die Risiken der Eingriffe aufgeklärt worden. Die Einwilligung der Patientinnen sei damit unwirksam gewesen.

Die Operation und die anschließende Behandlung der 42-Jährigen gegen Thrombose hätten stationär erfolgen müssen und nicht ambulant. Außerdem hätte der Eingriff nur mit einem Anästhesisten durchgeführt werden dürfen.

Weder das Fettabsaugen noch das Einspritzen sei ordnungsgemäß erfolgt. Eine Nachbeobachtung und Nachsorge habe gefehlt. Die Frau sei an Komplikationen des Eingriffs gestorben. Todesursache sei Blutverlust in Kombination mit einer Fettembolie gewesen.

Bei der 20-Jährigen seien 2018 mehr als zwölf Liter Flüssigkeit abgesaugt worden. Bei einer ambulanten Operation seien aber nur maximal fünf Liter erlaubt. Ein Narkosemittel sei um das Achtfache zu hoch dosiert gewesen. Außerdem habe der Arzt unzulässige Medikamente verabreicht.

Der Mediziner und seine Verteidiger führen dagegen mehrere Gegengutachten ins Feld und weisen sämtliche Vorwürfe zurück. Es gebe keine Fünf-Liter-Grenze, die Aufklärung über die Risiken sei einwandfrei und ausführlich gewesen.

Eine Überdosierung habe es nicht gegeben und sei auch nicht nachgewiesen. Statt eines Anästhesisten habe die Ehefrau des Angeklagten als ausgebildete Krankenschwester die Vitalfunktionen der Patientinnen überwacht. Die Todesursache sei zumindest in einem Fall nicht eindeutig festgestellt worden. Für den Prozess sind mindestens elf weitere Verhandlungstage vorgesehen.

«Dieser dramatische Fall zeigt eindrücklich, dass die Rechtslage in Deutschland bei weitem nicht ausreichend ist, um Patienten und Patientinnen wirksam vor unqualifizierten Operateuren zu schützen», kritisierte Prof. Lukas Prantl, Präsident der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC). Man werde sich bei der neuen Bundesregierung um einen besseren Schutz bemühen.


Bildnachweis: © David Young/dpa
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