8. März 2024 / Aus aller Welt

Aufregung um ein Stück Weltraumschrott: Was steckt dahinter?

Vor drei Jahren wurde von der Raumstation ISS eine Palette mit Batterien abgestoßen. Seitdem kreist sie um die Erde - und soll nun in die Atmosphäre eintreten. Fragen und Anworten.

Die Batterie-Palette wurde im März 2021 von der ISS abgekoppelt mit dem Ziel, dass sie Jahre später in der Atmosphäre verglüht.
von Valentin Frimmer, dpa

Ein Raumfahrt-Teil von der Größe eines Kleinwagens soll am Freitagabend in die Atmosphäre der Erde eintreten. Dabei wird es größtenteils verglühen, kleinere Stücke könnten aber auch auf der Erde aufschlagen. «Kein außergewöhnliches Ereignis», ist vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zu hören.

Was genau saust da durchs All?

Bei dem Objekt handelt es sich laut Europäischer Weltraumorganisation (Esa) um eine Palette mit neun ausgedienten Batterien der Internationalen Raumstation (ISS). Die Plattform mit Batteriepaketen ist in etwa so groß wie ein Auto und wiegt rund 2,6 Tonnen. Sie wurde im März 2021 von der ISS abgekoppelt mit dem Ziel, dass sie Jahre später in der Atmosphäre verglüht.

Besteht für Deutschland eine Gefahr?

Experten halten es für sehr unwahrscheinlich, dass Trümmer über dem Bundesgebiet niedergehen. Das bekräftigte auch noch mal ein DLR-Sprecher. Ähnlich hatten sich zuvor auch schon das für Raumfahrt zuständige Bundeswirtschaftsministerium sowie das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) geäußert.

Wenn kaum eine Gefahr für Deutschland besteht, warum gab es dann eine amtliche Warnung?

Für etwas Aufregung hatte gesorgt, dass das BBK seine Einschätzung - sehr geringe Wahrscheinlichkeit für Trümmer auf Deutschland - am Donnerstag über mehrere Warn-Apps per amtlicher Gefahreninformation verbreitet hatte. «Sollte sich das Risiko erhöhen, erhalten Sie eine neue Information», hieß es dort. «Uns geht es um Transparenz und darum, die Informationen zu teilen, die uns vorliegen», erklärte eine Sprecherin der Behörde das Vorgehen.

Was ist über den bevorstehenden Eintritt in die Atmosphäre bekannt?

Das Objekt könnte aktuellen Berechnungen zufolge (Stand Freitagmittag) über der Karibik in die Atmosphäre eintreten. Als Zeitfenster gibt die Onlineseite «satflare.com» einen Acht-Stunden-Korridor rund um den Freitagabend deutscher Zeit an. «Vorhersagen zu Wiedereintrittszeitpunkt und -ort sind für solche Fälle naturgemäß mit großen Unsicherheiten verbunden, hauptsächlich aufgrund des schlecht prognostizierbaren atmosphärischen Widerstandes. Je näher man dem geschätzten Wiedereintrittszeitpunkt kommt, umso besser lässt sich das betroffene Gebiet geografisch eingrenzen», hieß es von der Esa.

Wie läuft so ein Wiedereintritt ab?

«Das geht sehr schnell», sagte der Leiter des Esa-Programms für Weltraumsicherheit, Holger Krag, dem Online-Portal der «Tagesschau». «Von einer Höhe von 100 Kilometern, in der der Wiedereintritt stattfindet, wenn das Objekt anfängt, sich zu zerlegen, bis zum Boden sind es nur zehn Minuten. Der Batterieblock wird aber nicht als kompaktes Einzelteil auf ein ganz eng begrenztes Gebiet fallen, sondern das verteilt sich eher in einer längeren Trümmerschleppe. Man wird in dem betroffenen Gebiet eher alle 10 oder 20 Kilometer ein kleineres Teil erwarten.» Laut DLR könnte in der Nähe des Wiedereintritts ein Überschallknall und auch eine Art Sternschnuppe zu sehen sein - in Deutschland mit großer Wahrscheinlichkeit also nicht.

Wie groß ist das Risiko für die betroffenen Gebiete?

«Auch wenn einige Teile den Boden erreichen können, ist das Unfallrisiko und die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch getroffen wird, sehr gering», teilte die Esa mit. Europas früherer Raumfahrtchef Jan Wörner hält die Gefahr durch Trümmerteile ebenfalls für gering. «Batterien brennen sehr gerne. Ich gehe davon aus, dass das Paket nahezu komplett in der Atmosphäre verglüht», sagte Wörner der Nachrichtenagentur dpa.

Welche Unsicherheiten gibt es?

Es handelt sich um einen unkontrollierten Wiedereintritt, deswegen sind genaue Vorhersagen schwierig. «Das Objekt wird allmählich durch die Atmosphäre abgebremst und verliert damit an Bahnhöhe», erklärte Krag der «Tagesschau». «Die großen Unsicherheiten kommen daher, dass wir nicht genau voraussagen können, wie dicht die Atmosphäre sein wird. Es hängt von vielen Faktoren ab und bleibt zu einem großen Teil dem Zufall überlassen. Insofern kann man selbst einige Stunden vorher den Ort noch nicht genau benennen. Man kann vielleicht einige Kontinente ausschließen, aber man kann die Vorhersage auf keinen Fall auf ein Land oder eine Stadt herunterbrechen.»

Kommt so etwas öfter vor?

Dass Weltraumschrott in die Atmosphäre eintritt und dort verglüht, passiert stetig. So fand erst vor wenigen Wochen der vor fast 30 Jahren gestartete europäische Satellit «ERS-2» ein solches Ende und wurde planmäßig zerstört. Auch dass kleinere Trümmer die Erdoberfläche erreichen, kommt immer wieder vor. Die Esa schreibt dazu: «Ungefähr jede Woche tritt ein großes Weltraumobjekt unkontrolliert wieder ein, der größte Anteil der damit verbundenen Fragmente verglüht, bevor sie den Boden erreichen.» Nach Angaben der US-Raumfahrtbehörde Nasa ist in den vergangenen 50 Jahren durchschnittlich ein bekanntes Stück pro Tag auf die Erde gefallen. Bislang sei keine ernsthafte Verletzung oder bedeutender Sachschaden infolgedessen bekannt geworden.

Wie viel Weltraumschrott kreist derzeit um die Erde?

Nach Angaben der US-Raumfahrtbehörde Nasa sind derzeit mehr als 25.000 Objekte mit einem Durchmesser von mehr als zehn Zentimetern im Weltraum unterwegs, etwa 500.000 mit einem Durchmesser zwischen einem und zehn Zentimetern sowie mehr als 100 Millionen Partikel, die größer als ein Millimeter sind. Insgesamt seien es mehr als 9000 Tonnen. Ursprung seien vor allem Satellitenexplosionen und -kollisionen.

Gibt es Bemühungen, etwas dagegen zu tun?

Viele Länder, die im Weltraum aktiv sind, haben sich besorgt gezeigt und dafür ausgesprochen, die Entstehung von weiterem Weltraumschrott so weit wie möglich zu reduzieren - zum Beispiel durch entsprechendes Design von Raumschiffen und Satelliten. Der frühere Esa-Chef Wörner forderte zudem «endlich ein Frühwarnsystem zum Schutz der Erde».


Bildnachweis: © -/NASA/dpa
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